BGH, Beschluss vom 19.12.2022, AZ 5 StR 283/22

Aus­ga­be: 11–12/2022

Der in Leip­zig ansäs­si­ge 5. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat am 10. Novem­ber 2022 einen Frei­spruch des Land­ge­richts Ham­burg im Zusam­men­hang mit der Fäl­schung von Coro­na-Impf­be­schei­ni­gun­gen auf­ge­ho­ben und die Sache zu neu­er Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an eine ande­re Straf­kam­mer des Land­ge­richts zurückverwiesen. 

Das Land­ge­richt hat­te den Ange­klag­ten am 1. März 2022 wegen Han­del­trei­bens mit Betäu­bungs­mit­teln in nicht gerin­ger Men­ge zu einer – inzwi­schen rechts­kräf­ti­gen – Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt, ihn vom Vor­wurf der mehr­fa­chen Urkun­den­fäl­schung indes frei­ge­spro­chen. Die gegen den Frei­spruch gerich­te­te Revi­si­on der Staats­an­walt­schaft hat Erfolg. 

Nach den Fest­stel­lun­gen stell­te der Ange­klag­te ins­ge­samt 19 unrich­ti­ge Impf­be­schei­ni­gun­gen aus. Gegen ein Ent­gelt trug er angeb­lich erfolg­te Erst- und Zweit­imp­fun­gen gegen das Sars-CoV-2-Virus nebst Impf­stoff­be­zeich­nung und Char­gen­num­mer in von ihm erstell­te oder bereits aus­ge­stell­te Impf­päs­se ein. Die Ein­tra­gun­gen ver­sah er mit dem vor­geb­li­chen Stem­pel eines Impf­zen­trums sowie der nach­ge­ahm­ten oder erfun­de­nen Unter­schrift eines angeb­li­chen Impf­arz­tes. Ange­sichts der dama­li­gen Zugangs­be­schrän­kun­gen für Unge­impf­te auf­grund der CoViD-19-Pan­de­mie war dem Ange­klag­ten bewusst, dass sei­ne Abneh­mer die Beschei­ni­gun­gen gegen­über Drit­ten, etwa Apo­the­ken zur Erstel­lung eines digi­ta­len Impf­zer­ti­fi­kats oder in der Gas­tro­no­mie zum Nach­weis über angeb­li­che Schutz­imp­fun­gen ihrer Per­son, vor­le­gen würden. 

Das Land­ge­richt hat sich inso­weit aus Rechts­grün­den an einer Ver­ur­tei­lung des Ange­klag­ten gehin­dert gese­hen und ihn daher freigesprochen. 

Eine Straf­bar­keit wegen Fäl­schung von Gesund­heits­zeug­nis­sen gemäß § 277 StGB in der zur Tat­zeit gel­ten­den Fas­sung (a. F.) sei nicht in Betracht gekom­men, da die dama­li­ge Vor­schrift eine Ver­wen­dung der Fal­si­fi­ka­te bei einer Behör­de oder einer Ver­si­che­rung vor­aus­setz­te, was vor­lie­gend bei Gebrauch in der Gas­tro­no­mie oder in Apo­the­ken nicht gege­ben sei. Inso­weit hat der Bun­des­ge­richts­hof kei­nen Rechts­feh­ler festgestellt. 

Einer Ver­ur­tei­lung wegen Urkun­den­fäl­schung gemäß § 267 StGB habe nach Ansicht des Land­ge­richts ent­ge­gen­ge­stan­den, dass § 277 StGB a.F. eine abschlie­ßen­de Son­der­re­ge­lung gewe­sen sei, die einen Rück­griff auf das all­ge­mei­ne Urkun­den­straf­recht ver­bo­ten habe. Dies hat der Bun­des­ge­richts­hof als rechts­feh­ler­haft bean­stan­det und des­halb den Frei­spruch aufgehoben. 

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung von Tei­len der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung, denen das Land­ge­richt gefolgt ist, han­delt es sich bei § 277 StGB a.F. nicht um eine spe­zi­el­le Vor­schrift, die den Täter der Fäl­schung von Gesund­heits­zeug­nis­sen im Ver­hält­nis zu dem einer Urkun­den­fäl­schung pri­vi­le­gie­ren soll. Weder dem Zweck noch dem sys­te­ma­ti­schen Zusam­men­hang der mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren­den Bestim­mun­gen oder dem Wil­len des Gesetz­ge­bers las­sen sich Anhalts­punk­te für eine sol­che Pri­vi­le­gie­rung ent­neh­men. Erst recht ent­fal­tet § 277 StGB a.F. kei­ne “Sperr­wir­kung” gegen­über der Urkun­den­fäl­schung (§ 267 StGB), wenn der Tat­be­stand der Fäl­schung von Gesund­heits­zeug­nis­sen – so wie hier — nicht (voll­stän­dig) erfüllt ist. 

Die Sache bedarf des­halb neu­er Ver­hand­lung und Entscheidung.

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