Pres­se­mit­tei­lung des OLG Stutt­gart vom 08.02.2018:

Der 5. Straf­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Stutt­gart ver­kün­de­te heu­te unter dem Vor­sitz von Her­bert Ande­rer sein Urteil in einem Staats­schutz­ver­fah­ren gegen vier Betrei­ber des Inter­net­por­tals „altermedia-deutschland.info“, einer rechts­ra­di­ka­len Inter­net­sei­te, auf der u.a. auch volks­ver­het­zen­de Inhal­te ver­öf­fent­licht wurden.

Die Ange­klag­ten betei­lig­ten sich in der Zeit von 2012 bis 2016 am Betrieb die­ses Inter­net­por­tals. Des­we­gen wur­de die 49 Jah­re alte Ange­klag­te J. V. wegen Rädels­füh­rer­schaft in einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Volks­ver­het­zung in meh­re­ren Fäl­len zu der Gesamt­frei­heits­stra­fe von zwei Jah­ren ver­ur­teilt, deren Voll­stre­ckung zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wur­de. Der 29 Jah­re alte R. K. wur­de wegen Rädels­füh­rer­schaft in einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Volks­ver­het­zung in meh­re­ren Fäl­len zu der Gesamt­frei­heits­stra­fe von zwei Jah­ren und sechs Mona­ten ver­ur­teilt. Die 64 Jah­re alte Ange­klag­te I. T. wur­de wegen mit­glied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Volks­ver­het­zung in meh­re­ren Fäl­len zu der Gesamt­frei­heits­stra­fe von einem Jahr und drei Mona­ten ver­ur­teilt, deren Voll­stre­ckung zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wur­de. Gegen die 62 Jah­re alte Ange­klag­te T. S. ver­häng­te der Senat wegen mit­glied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Bei­hil­fe zur Volks­ver­het­zung eine Gesamt­frei­heits­stra­fe von acht Mona­ten, deren Voll­stre­ckung eben­falls zur Bewäh­rung aus­ge­setzt wurde.

Dem Urteil waren 13 Ver­hand­lungs­ta­ge seit dem 14. Sep­tem­ber 2017 vor­aus­ge­gan­gen. Im Rah­men der Beweis­auf­nah­me hat­te der Senat unter ande­rem meh­re­re Bild- und Video­do­ku­men­te in Augen­schein genom­men und eine Viel­zahl von Tex­ten eingeführt.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Senats betrie­ben die Ange­klag­ten seit dem Jahr 2012 in teils wech­seln­der Beset­zung und unter Betei­li­gung wei­te­rer unbe­kannt geblie­be­ner Täter die Inter­net­sei­te „altermedia-deutschland.info“. Auf der für jeder­mann zugäng­li­chen Sei­te wur­den bis zur Abschal­tung im Janu­ar 2016 fort­lau­fend Nach­rich­ten, Infor­ma­tio­nen und Pro­pa­gan­da­schrif­ten ver­öf­fent­licht, die für die Anhän­ger rechts­ra­di­ka­len und natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gedan­ken­guts von Inter­es­se waren. Die Nut­zer der Sei­te hat­ten die Mög­lich­keit, die­se Inhal­te mit öffent­lich sicht­ba­ren Kom­men­ta­ren zu ver­se­hen und sich unter­ein­an­der in ver­schie­de­nen Foren aus­zu­tau­schen. Ein beson­de­res, auch von den Nut­zern geschätz­tes Merk­mal der Sei­te war es, dass auch sol­che Inhal­te und Kom­men­ta­re ver­öf­fent­licht wur­den, durch die in einer straf­ba­ren Wei­se gegen Aus­län­der, Flücht­lin­ge, Mus­li­me oder Juden gehetzt und die­se bei­spiels­wei­se Schäd­lin­gen, Schma­rot­zern, Unrat oder Krank­hei­ten gleich­ge­setzt wur­den. Auch Stel­lung­nah­men, die die Ermor­dung hun­dert­tau­sen­der Juden im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz oder ande­re unter der Herr­schaft des Natio­nal­so­zia­lis­mus began­ge­ne Ver­bre­chen leug­ne­ten, durf­ten auf der Sei­te ver­öf­fent­licht werden. 

Zum Betrieb der Sei­te ord­ne­ten sich die Ange­klag­ten in eine fes­te Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ein. Die Grup­pe unter­stand der Füh­rung der bei­den Ange­klag­ten J. V. und R. K., die eine Dop­pel­spit­ze bil­de­ten und deren Wei­sun­gen sich die ande­ren Per­so­nen, die am Betrieb der Sei­te mit­wirk­ten, unter­zu­ord­nen hat­ten. Die Ange­klag­te J. V. war ins­be­son­de­re dafür zustän­dig, die Inhal­te aus­zu­wäh­len, die auf der Start­sei­te ver­öf­fent­licht wur­den, und präg­te damit maß­geb­lich die the­ma­ti­sche Aus­rich­tung der Sei­te. Dabei ver­öf­fent­lich­te die Ange­klag­te J. V. mehr­fach Tex­te, die einen volks­ver­het­zen­den und daher straf­ba­ren Inhalt hat­ten. Der Ange­klag­te R. K. über­nahm vor­wie­gend tech­ni­sche Auf­ga­ben wie etwa die Kon­fi­gu­ra­ti­on der Ser­ver. Die zwei wei­te­ren Ange­klag­ten hat­ten als soge­nann­te Mode­ra­to­rin­nen vor allem dar­auf zu ach­ten, dass die Nut­zer der Sei­te die Foren­richt­li­ni­en beach­te­ten, nach denen bei­spiels­wei­se „anti­deut­sche Bei­trä­ge, Kom­men­ta­re oder Hal­tun­gen“ nicht gedul­det wur­den und die „Ver­herr­li­chung von semi­ti­schen Reli­gio­nen“ unter­sagt war. Die Ange­klag­ten J. V., R. K. und I. T. schal­te­ten zudem wie­der­holt Kom­men­ta­re von Nut­zern zur Ver­öf­fent­li­chung auf der Start­sei­te frei, die einen volks­ver­het­zen­den Inhalt hat­ten. Zudem schu­fen die Ange­klag­ten durch den Betrieb der Sei­te die Mög­lich­keit dafür, dass die Nut­zer in einer Viel­zahl von Fäl­len sol­che straf­ba­ren Inhal­te ver­öf­fent­li­chen konnten.

Bis zur Abschal­tung war die Sei­te im Schnitt pro Tag mehr als 7.000 mal auf­ge­ru­fen wor­den. Von den Nut­zern waren ins­ge­samt mehr als 209.000 Kom­men­ta­re und Bei­trä­ge ein­ge­stellt worden.

Bei der Straf­zu­mes­sung hat der Senat u.a. berück­sich­tigt, dass die Inter­net­sei­te über einen lan­gen Tat­zeit­raum hin­weg betrie­ben wur­de und eine her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung in der rech­ten Sze­ne hat­te. Auf der ande­ren Sei­te wur­de den bis­lang nicht vor­be­straf­ten Ange­klag­ten zugu­te­ge­hal­ten, dass sie weit­ge­hend gestän­dig waren. Bei der Ange­klag­ten J. V. kam es zu einer beson­de­ren Straf­mil­de­rung, weil sie den Ermitt­lungs­be­hör­den noch am Tag ihrer Fest­nah­me das Pass­wort des Inter­net­ser­vers offen­bart hat­te, auf dem die Sei­te gehos­tet war. Hier­durch ermög­lich­te sie den Beam­ten des Bun­des­kri­mi­nal­amts nicht nur eine sofor­ti­ge Abschal­tung der Sei­te, son­dern auch die Siche­rung umfang­rei­cher Daten. Anhand die­ser Daten konn­te sodann in einer Viel­zahl von Fäl­len nach­voll­zo­gen wer­den, in wes­sen Ver­ant­wor­tung die Ver­öf­fent­li­chung ein­zel­ner straf­ba­rer Inhal­te fiel.

Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. Den Ange­klag­ten und dem Gene­ral­bun­des­an­walt steht gegen das Urteil jeweils das Recht­mit­tel der Revi­si­on zum Bun­des­ge­richts­hof offen.

Akten­zei­chen:

Ober­lan­des­ge­richt Stutt­gart: Urteil vom 8.2.2018 — 2 StE 21/16 –

Der Gene­ral­bun­des­an­walt beim Bun­des­ge­richts­hof: 2 BJs 108/14–5 und 2 StE 21/16–5

Rele­van­te Normen:

§ 129 Abs. 1 und Abs. 4 Straf­ge­setz­buch (StGB) – Bil­dung kri­mi­nel­ler Ver­ei­ni­gun­gen (zur Tat­zeit gül­ti­ge Fassung):

(1) Wer eine Ver­ei­ni­gung grün­det, deren Zwe­cke oder deren Tätig­keit dar­auf gerich­tet sind, Straf­ta­ten zu bege­hen, oder wer sich an einer sol­chen Ver­ei­ni­gung als Mit­glied betei­ligt, für sie um Mit­glie­der oder Unter­stüt­zer wirbt oder sie unter­stützt, wird mit Frei­heits­stra­fe bis zu fünf Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft.

(4) Gehört der Täter zu den Rädels­füh­rern oder Hin­ter­män­nern oder liegt sonst ein beson­ders schwe­rer Fall vor, so ist auf Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren zu erkennen; …

§ 130 Straf­ge­setz­buch (StGB) – Volks­ver­het­zung (aktu­el­le Fas­sung) — Auszug:

(1) Wer in einer Wei­se, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu stören,

1. gegen eine natio­na­le, ras­si­sche, reli­giö­se oder durch ihre eth­ni­sche Her­kunft bestimm­te Grup­pe, gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung oder gegen einen Ein­zel­nen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung zum Hass auf­sta­chelt, zu Gewalt- oder Will­kür­maß­nah­men auf­for­dert oder

2. die Men­schen­wür­de ande­rer dadurch angreift, dass er eine vor­be­zeich­ne­te Grup­pe, Tei­le der Bevöl­ke­rung oder einen Ein­zel­nen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung beschimpft, bös­wil­lig ver­ächt­lich macht oder verleumdet,

wird mit Frei­heits­stra­fe von drei Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bestraft.

(2) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer

1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) ver­brei­tet oder der Öffent­lich­keit zugäng­lich macht oder einer Per­son unter acht­zehn Jah­ren eine Schrift (§ 11 Absatz 3) anbie­tet, über­lässt oder zugäng­lich macht, die

a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Num­mer 1 bezeich­ne­te Grup­pe, gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung oder gegen einen Ein­zel­nen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer in Absatz 1 Num­mer 1 bezeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung aufstachelt,

b) zu Gewalt- oder Will­kür­maß­nah­men gegen in Buch­sta­be a genann­te Per­so­nen oder Per­so­nen­mehr­hei­ten auf­for­dert oder

c) die Men­schen­wür­de von in Buch­sta­be a genann­ten Per­so­nen oder Per­so­nen­mehr­hei­ten dadurch angreift, dass die­se beschimpft, bös­wil­lig ver­ächt­lich gemacht oder ver­leum­det werden,

2. einen in Num­mer 1 Buch­sta­be a bis c bezeich­ne­ten Inhalt mit­tels Rund­funk oder Tele­me­di­en einer Per­son unter acht­zehn Jah­ren oder der Öffent­lich­keit zugäng­lich macht oder

3. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) des in Num­mer 1 Buch­sta­be a bis c bezeich­ne­ten Inhalts her­stellt, bezieht, lie­fert, vor­rä­tig hält, anbie­tet, bewirbt oder es unter­nimmt, die­se Schrift ein- oder aus­zu­füh­ren, um sie oder aus ihr gewon­ne­ne Stü­cke im Sin­ne der Num­mer 1 oder Num­mer 2 zu ver­wen­den oder einer ande­ren Per­son eine sol­che Ver­wen­dung zu ermöglichen.

(3) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu fünf Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer eine unter der Herr­schaft des Natio­nal­so­zia­lis­mus began­ge­ne Hand­lung der in § 6 Abs. 1 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches bezeich­ne­ten Art in einer Wei­se, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu stö­ren, öffent­lich oder in einer Ver­samm­lung bil­ligt, leug­net oder verharmlost.

(5) Absatz 2 Num­mer 1 und 3 gilt auch für eine Schrift (§ 11 Absatz 3) des in den Absät­zen 3 und 4 bezeich­ne­ten Inhalts. Nach Absatz 2 Num­mer 2 wird auch bestraft, wer einen in den Absät­zen 3 und 4 bezeich­ne­ten Inhalt mit­tels Rund­funk oder Tele­me­di­en einer Per­son unter acht­zehn Jah­ren oder der Öffent­lich­keit zugäng­lich macht.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://www.olg-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/5_+Strafsenat+des+Oberlandesgerichts+Stuttgart+verurteilt+vier+Betreiber+des+Internetportals+_Altermedia-Deutschland_+u_+a_+wegen+Raedelsfuehrerschaft+in+bzw_+mitgliedschaftlicher+Beteiligung+an+einer+