Mit Beschluss vom 20.09.2018 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf entschieden, dass eine Vollstreckung der chilenischen Strafurteile gegen Dr. Hartmut Hopp in Deutschland nicht zulässig ist. Hopp war in Chile wegen der Unterstützung des Gründers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, bei der Vergewaltigung von Minderjährigen unter zwölf Jahren in vier Fällen und bei dem sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in 16 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt worden. Für die Vollstreckung der ausländischen Freiheitsstrafe im Inland hatte der Senat zu überprüfen, ob die in den chilenischen Urteilen getroffenen Tatsachenfeststellungen ausreichend sind, um auch nach deutschem Recht eine Strafbarkeit zu begründen. Das ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht der Fall.

Die Feststellungen der chilenischen Urteile sind trotz des außerordentlichen Umfangs ihrer Urteilsgründe nicht ausreichend, um nach deutschem Recht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Verurteilten Hopp wegen Beihilfe zur Vergewaltigung bzw. zum sexuellen Missbrauch oder wegen Strafvereitelung zu erfüllen. Das in dem chilenischen Urteil festgestellte Verhalten von Hopp sei nach deutschem Recht nicht strafbar. Es wurden keine konkreten dienlichen Handlungen festgestellt, die durch eine Einwirkung auf die äußeren Umstände die Tatbegehung Schäfers zumindest objektiv erleichtert hätten. Den Feststellungen ist auch nicht zu ersehen, dass Hopp den Tatentschluss oder den Ausführungswillen Schäfers bestärkt hätte, indem er ihm durch sein Verhalten etwa ein Gefühl erhöhter Sicherheit vermittelte.

Der Umstand, dass Schäfer zur Tatbegehung die repressiven und autoritären Machtstrukturen der Colonia Dignidad bzw. Villa Baviera nutzte und Hopp über Jahre hinweg deren Führung angehörte und damit dieses System stützte, reiche ebenso wenig, wie das Mitwirken Hopps bei der Gründung des Internats, um eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Taten Schäfers zu begründen. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe hätte vielmehr vorausgesetzt, dass sich konkrete Handlungsweisen mit unmittelbarem Bezug zu dem organisierten Tatgeschehen feststellen lassen.

Die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen der chilenischen Gerichte belegen indes keine Handlungen Hopps, durch die Schäfer der Zugriff auf die untergebrachten Kinder ermöglicht oder erleichtert worden wäre. Anders als die Mitangeklagten M. und A. war Hopp auch nicht mit der Auswahl der aufzunehmenden Kinder befasst, er führte Schäfer keine Kinder zu und hatte mit der Leitung des Internats in der Folge nichts zu tun. Die Leitung des Internats war dem Mitangeklagten Dr. S. überlassen. Hopp war dagegen mit der Leitung der Klinik der Colonia Dignidad bzw. Villa Baviera ein anderer Verantwortungsbereich zugewiesen.

Zu einer nachträglichen ergänzenden Beweiserhebung zu Lasten des Verurteilten sah sich der Senat nicht veranlasst. Eine solche war insbesondere aus Rechtsgründen nicht durchzuführen. Die Durchführung einer eigenen Bewertung zur Verlässlichkeit von nicht im Urteil wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen ist dem Exequaturverfahren (siehe Erläuterung unten) nämlich grundsätzlich fremd. Das Exequaturgericht ist regelmäßig an die Tatsachenfeststellungen des ausländischen Erkenntnisses gebunden. Ein anders zu beurteilender Ausnahmefall könnte etwa bei offensichtlich falschen tatsächlichen Feststellungen im ausländischen Erkenntnis oder bei groben Verstößen gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gegeben sein. Ein derartiger Fall lag hier jedoch nicht vor.

Nach den Tatsachenfeststellungen der chilenischen Urteile hatte Hopp im Tatzeitraum von 1993 bis 1997 als Arzt das Krankenhaus in Villa Baviera (ehemals Colonia Dignidad) geleitet und war Mitglied deren Führungsspitze. Als solches hatte er das dazu gehörende Intensivinternat mitgegründet. Diese Organisation ermöglichte es dem charismatischen Leiter jener Gemeinschaft, dem zwischenzeitlich in Chile in Strafhaft verstorbenen Paul Schäfer, einige der dort aufhältigen Jungen zu vergewaltigen und andere sexuell zu missbrauchen. Die herausgehobene Stellung, die Hopp in der Organisation inne hatte, veranlasste das chilenische Gericht zu der Annahme, es sei auszuschließen, der Haupttäter Schäfer könne seine Missbrauchstaten ohne Billigung und Unterstützung seitens Hopp begangen haben. Hopp war in Chile letztinstanzlich wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in vier Fällen und Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in 16 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt worden. Von dem Vorwurf, in sechs weiteren Fällen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch geleistet zu haben, war er freigesprochen worden.

Gegen die Entscheidung des Senats des Oberlandesgerichts ist kein Rechtsmittel gegeben.

Hinweis:
Entscheidungen ausländischer Strafgerichte können nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) im sogenannten Exequaturverfahren im Inland für vollstreckbar erklärt werden. Beschwerdeinstanz gegen die Entscheidung des Landgerichts ist das Oberlandesgericht.

§ 49 Abs. 1 Nr. 3a IRG bestimmt, dass die Vollstreckung nur zulässig ist, „wenn auch nach deutschem Recht, ungeachtet etwaiger Verfahrenshindernisse und gegebenenfalls nach sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts, wegen der Tat, die dem ausländischen Erkenntnis zugrunde liegt, eine Strafe, (…) hätte verhängt werden können“.

Aktenzeichen OLG: III-3 AR 158/17

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