BGH, Beschluss vom 07.06.2021, AZ 3 StR 418/20

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 103/2021, vom 07.06.2021

Bun­des­ge­richts­hof bestä­tigt Urteil gegen Mit­glie­der der rechts­extre­mis­ti­schen ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung “Revo­lu­ti­on Chemnitz” 

Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 StR 418/20

Das Ober­lan­des­ge­richt Dres­den hat acht Män­ner im Alter zwi­schen 22 und 32 Jah­ren wegen Mit­glied­schaft in der ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung “Revo­lu­ti­on Chem­nitz”, fünf von ihnen auch wegen wei­te­rer Delik­te, zu Haft­stra­fen ver­ur­teilt, die von zwei Jah­ren und drei Mona­ten bis zu fünf Jah­ren und sechs Mona­ten rei­chen. Nach­dem sowohl eini­ge der Ange­klag­ten als auch der Gene­ral­bun­des­an­walt ihre gegen das Urteil ein­ge­leg­ten Revi­sio­nen zurück­ge­nom­men hat­ten, hat­te der für Staats­schutz­straf­sa­chen zustän­di­ge 3. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs nur noch über die Revi­sio­nen von zwei Ange­klag­ten zu befin­den, die allein der mit­glied­schaft­li­chen Betei­li­gung an einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung schul­dig gespro­chen wor­den sind. Der 3. Straf­se­nat hat die Rechts­mit­tel verworfen. 

Nach den vom Ober­lan­des­ge­richt getrof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ver­üb­te am 26. August 2018 in Chem­nitz ein Mann mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ein Tötungs­de­likt. Das war Anlass für meh­re­re rechts­ge­rich­te­te Demons­tra­tio­nen, die teils mit gewalt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen ein­her­gin­gen. Wegen die­ser Ent­wick­lung sah der — die Ver­ei­ni­gung initi­ie­ren­de — Mit­an­ge­klag­te Chris­ti­an K. die Gele­gen­heit gekom­men, sei­ne Revo­lu­ti­ons- und Umsturz­phan­ta­sien, die er bereits seit län­ge­rem heg­te, in die Tat umzusetzen: 

Am 10. Sep­tem­ber 2018 rich­te­te er mit­tels eines von ihm als über­wa­chungs­si­cher ange­se­he­nen Mes­sen­ger-Diens­tes die Chat-Grup­pe “Pla­nung zur Revo­lu­ti­on” ein; zu den von ihm aus­ge­wähl­ten Grup­pen­mit­glie­dern zähl­ten die bei­den revi­die­ren­den Ange­klag­ten. Der Mit­an­ge­klag­te Chris­ti­an K. leg­te die Zwe­cke sowie die Regeln der Ver­ei­ni­gung fest, die bei­spiels­wei­se die Pflicht zur Ver­schwie­gen­heit und die Sicher­heit der Kom­mu­ni­ka­ti­on betra­fen. Ziel des beab­sich­tig­ten Zusam­men­schlus­ses war die Besei­ti­gung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung. Die “Sys­tem­wen­de” soll­te bereits am 3. Okto­ber 2018, dem Tag der deut­schen Ein­heit, ein­ge­lei­tet wer­den, indem durch bewaff­ne­te, auch töd­li­che, Anschlä­ge bür­ger­kriegs­ähn­li­che Zustän­de her­bei­ge­führt wer­den. Die Mit­glied­schaft in der Ver­ei­ni­gung soll­te “Füh­rungs­kräf­ten” vor­be­hal­ten sein, mit­hin sol­chen Per­so­nen, die auf­grund ihrer lang andau­ern­den Betä­ti­gung in einer rechts­ra­di­ka­len und gewalt­be­rei­ten “Sze­ne” — etwa als “Neo­na­zi”, “Skin­head” oder “Hoo­li­gan” — “unter­schied­lichs­te Erfah­run­gen” gesam­melt und “spe­zi­el­le Fähig­kei­ten” erwor­ben hatten. 

In der Fol­ge­zeit bestä­tig­ten die bei­den Ange­klag­ten sowie die wei­te­ren Mit­an­ge­klag­ten, die alle eine rechts­extre­mis­ti­sche Gesin­nung ver­band, ihre Bereit­schaft, sich auf der Grund­la­ge der fest­ge­leg­ten Zwe­cke und Regeln an der Ver­ei­ni­gung zu betei­li­gen, und nah­men am wei­te­ren Chat-Ver­kehr teil. So bespra­chen und koor­di­nier­ten eini­ge der Teil­neh­mer die Beschaf­fung von Schuss­waf­fen bestimm­ter Her­stel­ler, ins­be­son­de­re halb­au­to­ma­ti­schen Pis­to­len, aber auch einer Maschinenpistole. 

Am Abend des 14. Sep­tem­ber 2018 führ­ten fünf der Mit­an­ge­klag­ten zusam­men mit Gleich­ge­sinn­ten, aller­dings ohne die zwei Ange­klag­ten, in Chem­nitz eine gewalt­tä­ti­ge Akti­on zunächst gegen eine Grup­pe von Jugend­li­chen und sodann gegen eine Grup­pe über­wie­gend aus­län­di­scher Staats­bür­ger durch. Mit die­sem “Pro­be­lauf” — den das Ober­lan­des­ge­richt als Land­frie­dens­bruch und Kör­per­ver­let­zung gewer­tet hat — woll­ten die Mit­an­ge­klag­ten, noch ohne töd­li­che Bewaff­nung, die Funk­ti­ons­tüch­tig­keit der Ver­ei­ni­gung tes­ten. Im Anschluss an die­se Akti­on wur­den sie festgenommen. 

Die Ange­klag­ten haben mit ihren Rechts­mit­teln Rechts­feh­ler des ange­foch­te­nen Urteils bei der Beweis­wür­di­gung, der recht­li­chen Bewer­tung und der Straf­zu­mes­sung gel­tend gemacht. Die revi­si­ons­recht­li­che Über­prü­fung durch den 3. Straf­se­nat hat einen sol­chen jedoch nicht erge­ben. Das Ver­fah­ren ist mit der Ent­schei­dung des Senats rechts­kräf­tig abgeschlossen. 

Vor­in­stanz:
OLG Dres­den — 4 St 3/19 — Urteil vom 24. März 2020 

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