BGH, Beschluss vom 30.05.2022, AZ 2 StR 418/19

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 68/2022, vom 30.05.2022

Bun­des­ge­richts­hof hebt Ver­ur­tei­lung eines “Bau­über­wa­chers” wegen fahr­läs­si­ger Tötung im Zusam­men­hang mit dem Ein­sturz des His­to­ri­schen Archivs der Stadt Köln auf

Beschluss vom 13. Okto­ber 2021 – 2 StR 418/19

Das Land­ge­richt hat den Ange­klag­ten wegen tat­ein­heit­li­cher zwei­fa­cher fahr­läs­si­ger Tötung zu einer Frei­heits­stra­fe von acht Mona­ten ver­ur­teilt, deren Voll­stre­ckung es zur Bewäh­rung aus­ge­setzt hat.

Nach den Fest­stel­lun­gen kam es am 3. März 2009 zu dem Ein­sturz des His­to­ri­schen Archivs der Stadt Köln sowie zwei­er Wohn­ge­bäu­de, bei dem zwei Men­schen zu Tode kamen. Ursa­che hier­für war zur Über­zeu­gung der Straf­kam­mer die Hava­rie einer im Zuge eines Groß­bau­pro­jekts in der Nähe der Gebäu­de aus­ge­ho­be­nen Bau­gru­be, deren seit­li­che Umschlie­ßung zuvor nur unzu­rei­chend erstellt wor­den war, so dass am Unglücks­tag ins­be­son­de­re Erd­reich von unter­halb der Gebäu­de inner­halb kur­zer Zeit in die Bau­gru­be strö­men konn­te. Der Ange­klag­te war auf Sei­ten der Bau­her­rin damit betraut, die Tätig­keit der bau­aus­füh­ren­den Arbeits­ge­mein­schaft zu kon­trol­lie­ren. Nach den Wer­tun­gen des Land­ge­richts kam er sei­ner Auf­ga­be jedoch nur unzu­rei­chend nach und schritt bei der man­gel­haf­ten Erstel­lung der Bau­gru­ben­um­schlie­ßung nicht ein.

Auf eine Ver­fah­rens­rüge des Ange­klag­ten hin hat der 2. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs das Urteil mit den Fest­stel­lun­gen auf­ge­ho­ben und die Sache an eine ande­re Straf­kam­mer des Land­ge­richts zurück­ver­wie­sen. Die Rich­ter der Straf­kam­mer wur­den nach der münd­li­chen Ver­kün­dung des Urteils sämt­lich in einem vor einer ande­ren Straf­kam­mer des Land­ge­richts rechts­hän­gi­gen Ver­fah­ren als Zeu­gen zum sel­ben Tat­ge­sche­hen ver­nom­men. Sie waren von da an von Geset­zes wegen von der wei­te­ren Aus­übung des Rich­ter­am­tes in der vor­lie­gen­den Sache aus­ge­schlos­sen und waren des­we­gen dar­an gehin­dert, die – bis dahin noch nicht erfolg­te – rechts­kon­for­me Her­stel­lung der schrift­li­chen Urteils­grün­de vorzunehmen.

Auf die durch den Ange­klag­ten eben­falls erho­be­ne Sach­rü­ge kam es daher nicht mehr an.

Mit Urteil vom 13. Okto­ber 2021 hat der 2. Straf­se­nat das Urteil des Land­ge­richts auch auf die Revi­sio­nen der Staats­an­walt­schaft hin im Hin­blick auf zwei frei­ge­spro­che­ne Bau­lei­ter auf­ge­ho­ben (vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 185/2021).

Vor­in­stanz:
Land­ge­richt Köln – Urteil vom 12. Okto­ber 2018 – 110 KLs 9/17

Die maß­geb­li­chen Vor­schrif­ten der Straf­pro­zess­ord­nung lau­ten wie folgt:

§ 22 Aus­schlie­ßung von der Aus­übung des Rich­ter­am­tes kraft Gesetzes
Ein Rich­ter ist von der Aus­übung des Rich­ter­am­tes kraft Geset­zes ausgeschlossen,
[…]
5. wenn er in der Sache als Zeu­ge oder Sach­ver­stän­di­ger ver­nom­men ist.

§ 275 Abset­zungs­frist und Form des Urteils

Ist das Urteil mit den Grün­den nicht bereits voll­stän­dig in das Pro­to­koll auf­ge­nom­men wor­den, so ist es unver­züg­lich zu den Akten zu brin­gen. Dies muß spä­tes­tens fünf Wochen nach der Ver­kün­dung gesche­hen; die­se Frist ver­län­gert sich, wenn die Haupt­ver­hand­lung län­ger als drei Tage gedau­ert hat, um zwei Wochen, und wenn die Haupt­ver­hand­lung län­ger als zehn Tage gedau­ert hat, für jeden begon­ne­nen Abschnitt von zehn Haupt­ver­hand­lungs­ta­gen um wei­te­re zwei Wochen. Nach Ablauf die­ser Frist dür­fen die Urteils­grün­de nicht mehr geän­dert wer­den. Die Frist darf nur über­schrit­ten wer­den, wenn und solan­ge das Gericht durch einen im Ein­zel­fall nicht vor­aus­seh­ba­ren unab­wend­ba­ren Umstand an ihrer Ein­hal­tung gehin­dert wor­den ist. Der Zeit­punkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeit­punkt einer Ände­rung der Grün­de müs­sen akten­kun­dig sein.
[…]
§ 338 Abso­lu­te Revisionsgründe
Ein Urteil ist stets als auf einer Ver­let­zung des Geset­zes beru­hend anzusehen,
[…]
7. wenn das Urteil kei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ent­hält oder die­se nicht inner­halb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 erge­ben­den Zeit­raums zu den Akten gebracht wor­den sind;
[…]

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…