BGH, Beschluss vom 11.04.2023, AZ 2 StR 204/22

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 65/2023, vom 11.04.2023

Bun­des­ge­richts­hof hebt Ver­ur­tei­lung von zwei Frank­fur­ter Invest­ment­ban­kern wegen ver­bo­te­nen Insi­der­han­dels auf

Beschluss vom 8. Febru­ar 2023 — 2 StR 204/22

Der 2. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat auf die Revi­sio­nen zwei­er Frank­fur­ter Invest­ment­ban­ker sowie der betei­lig­ten ver­mö­gens­ver­wal­ten­den Gesell­schaft eines der bei­den Ange­klag­ten ein Urteil des Land­ge­richts Frank­furt am Main vom 30. Sep­tem­ber 2021 auf­grund eines jeweils iden­ti­schen Ver­fah­rens­feh­lers aufgehoben.

Das Land­ge­richt hat­te den einen Ange­klag­ten wegen vor­sätz­li­chen Insi­der­han­dels gemäß § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in Ver­bin­dung mit Arti­kel 14 lit. a) der VO (EU) Nr. 596/2014 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 16. April 2014 über Markt­miss­brauch (MAR) in 55 Fäl­len zu einer Gesamt­frei­heits­stra­fe von drei Jah­ren und sechs Mona­ten und den wei­te­ren Ange­klag­ten wegen des­sel­ben Ver­ge­hens in 19 Fäl­len zu einer Gesamt­frei­heits­stra­fe von einem Jahr und zehn Mona­ten unter Straf­aus­set­zung zur Bewäh­rung ver­ur­teilt. Es hat­te fer­ner gegen den einen Ange­klag­ten die Ein­zie­hung eines Betra­ges von 45.311.418,52 Euro, gegen den ande­ren Ange­klag­ten in Höhe von 160.000 Euro als Gesamt­schuld­ner mit der sein Ver­mö­gen ver­wal­ten­den Gesell­schaft und gegen die­se selbst als Ein­zie­hungs­be­tei­lig­te in Höhe von 3.339.699,13 Euro angeordnet.

Nach den vom Land­ge­richt getrof­fe­nen Fest­stel­lun­gen war der eine Ange­klag­te als Abtei­lungs­lei­ter einer Invest­ment­ge­sell­schaft in Frankfurt/Main für das Manage­ment meh­re­rer Fonds ver­ant­wort­lich. Die­se beweg­ten täg­lich ein Han­dels­vo­lu­men von mehr als 500 Mio. Euro. Er wuss­te, dass die für die von ihm gema­nag­ten Fonds aus­ge­lös­ten Orders Markt­re­le­vanz besa­ßen und dass sich bei einem Kauf bzw. Ver­kauf einer Aktie die­se im Wert um durch­schnitt­lich 0,6 bis 0,8 % ver­än­der­te. Die­sen Effekt mach­te er sich per­sön­lich durch den Erwerb pri­va­ter “Call” bzw. “Bull”-Derivate im Wege des soge­nann­ten “Front-Run­nings” zunut­ze. In 55 Ein­zel­fäl­len erwarb er im Wege des ver­bo­te­nen Insi­der­han­dels ins­ge­samt meh­re­re Mil­lio­nen bör­sen­ge­lis­te­te Deri­va­te als Hebel­pro­duk­te, die die Wert­ent­wick­lung einer Aktie abbil­de­ten und die er zeit­nah nach dem ent­spre­chen­den Akti­en­ge­schäft der Invest­ment­ge­sell­schaft wie­der­ver­kauf­te. Durch die Ver­käu­fe erlös­te er 45.311.418,52 Euro. Sein Gewinn lag bei 8.114.072,35 Euro. Der wei­te­re Ange­klag­te erwarb, nach ent­spre­chen­der Infor­ma­ti­on durch den mit ihm befreun­de­ten Mit­an­ge­klag­ten, in 19 Fäl­len in glei­cher Art und Wei­se Deri­va­te für die Ein­zie­hungs­be­tei­lig­te. Durch deren zeit­na­hen Ver­kauf nach dem Akti­en­ge­schäft des Invest­ment­hau­ses erlös­te die­se 3.339.699,13 Euro. Ihr Gewinn lag bei 333.732,33 Euro. Hier­von lei­te­te der Ange­klag­te 160.000 Euro als Gesell­schaf­ter­dar­le­hen auf sein Pri­vat­kon­to weiter.

Der 2. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat das Urteil auf die Revi­sio­nen der drei Beschwer­de­füh­rer mit den Fest­stel­lun­gen auf­ge­ho­ben. Die Straf­kam­mer hat ihre Beweis­wür­di­gung in allen Fäl­len auf Urkun­den gestützt, ohne die­se ord­nungs­ge­mäß zum Gegen­stand der Haupt­ver­hand­lung zu machen, da sie umfang­rei­chen Lis­ten, die die getä­tig­ten Akti­en­ge­schäf­te der Invest­ment­ge­sell­schaft bzw. den pri­va­ten Deri­vat­han­del der Ange­klag­ten abbil­de­ten, weder in der Haupt­ver­hand­lung förm­lich ver­le­sen noch im Wege des nach der Straf­pro­zess­ord­nung mög­li­chen Selbst­le­se­ver­fah­rens in die­se eige­führt hat. Die Sache bedarf daher ins­ge­samt neu­er Ver­hand­lung und Entscheidung.

Vor­in­stanz:
LG Frank­furt am Main — Urteil vom 22. Sep­tem­ber 2021 – 5/29 KLs — 7521 Js 238054/20 (3/21)

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