BGH, Beschluss vom 19.07.2023, AZ AK 21–28/23 und AK 34–47/23

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 115/2023, vom 19.07.2023

Bun­des­ge­richts­hof ord­net Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft gegen Beschul­dig­te aus dem soge­nann­ten Reichs­bür­ger­mi­lieu wegen Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung und Vor­be­rei­tung eines hoch­ver­rä­te­ri­schen Unter­neh­mens an

Beschlüs­se vom 11., 12. und 13. Juli 2023 — AK 21–28/23 und AK 34–47/23

Der für Staats­straf­schutz­sa­chen zustän­di­ge 3. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat im Rah­men der gesetz­lich vor­ge­se­he­nen Sechs-Monats-Haft­prü­fung ent­schie­den, dass die Unter­su­chungs­haft gegen 22 dem Milieu der soge­nann­ten Reichs­bür­ger zuge­hö­ri­ge Beschul­dig­te fort­zu­dau­ern hat. Die Beschul­dig­ten waren im Dezem­ber 2022 auf der Grund­la­ge von Haft­be­feh­len des Ermitt­lungs­rich­ters des Bun­des­ge­richts­hofs fest­ge­nom­men worden.

Gegen 19 Beschul­dig­te waren die Haft­an­ord­nun­gen auf den Vor­wurf der mit­glied­schaft­li­chen Betei­li­gung an einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung, gegen drei wei­te­re Beschul­dig­te auf den­je­ni­gen der Unter­stüt­zung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung gestützt. Zwei der mut­maß­li­chen Mit­glie­der sol­len über­dies als Rädels­füh­rer agiert haben. Der Ermitt­lungs­rich­ter des Bun­des­ge­richts­hofs hat­te die Haft­grün­de der Flucht­ge­fahr und — weit­ge­hend auch — der Schwer­kri­mi­na­li­tät angenommen.

Der 3. Straf­se­nat hat nach den von den Ermitt­lungs­be­hör­den bis­her gewon­ne­nen Erkennt­nis­sen fol­gen­den Sach­ver­halt als hoch­wahr­schein­lich erachtet:

Die Beschul­dig­ten, die der soge­nann­ten Reichs­bür­ger- und QAnon-Bewe­gung ange­hör­ten, schlos­sen sich zu einer auf län­ge­re Dau­er ange­leg­ten Orga­ni­sa­ti­on zusam­men, die sich zum Ziel setz­te, die bestehen­de staat­li­che Ord­nung in Deutsch­land ins­be­son­de­re durch den Ein­satz mili­tä­ri­scher Mit­tel und Gewalt gegen staat­li­che Reprä­sen­tan­ten zu über­win­den sowie durch eine eige­ne, bereits in Grund­zü­gen aus­ge­ar­bei­te­te Staats­form zu erset­zen. Sie lehn­ten die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und deren Insti­tu­tio­nen ab. Auf der Grund­la­ge einer ent­spre­chen­den gemein­sa­men Gesin­nung erwar­te­ten sie an einem unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den, aber noch nicht fest­ge­leg­ten “Tag X” einen Angriff auf die obers­te Ebe­ne der staat­li­chen Füh­rung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch die “Alli­anz”, einen Geheim­bund bestehend aus Ange­hö­ri­gen aus­län­di­scher Regie­run­gen, Streit­kräf­ten und Geheim­diens­ten. Zum Zwe­cke der Umset­zung ihrer Umsturz­plä­ne schu­fen die Ange­hö­ri­gen der Grup­pie­rung orga­ni­sa­to­ri­sche, hier­ar­chi­sche und ver­wal­tungs­ähn­li­che Struk­tu­ren mit einem soge­nann­ten Rat als zen­tra­lem Gre­mi­um und einem mili­tä­ri­schen Arm. Die­ser von ihnen ver­ein­facht als das “Mili­tär” bezeich­ne­te Teil der Orga­ni­sa­ti­on soll­te im Zuge des Angriffs durch die “Alli­anz” die noch ver­blei­ben­den Insti­tu­tio­nen und Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes mit Waf­fen bekämp­fen und ihre Macht­er­grei­fung durch ein deutsch­land­wei­tes Netz von soge­nann­ten Hei­mat­schutz­kom­pa­nien absi­chern. Die Mit­glie­der der Ver­ei­ni­gung waren der Über­zeu­gung, ein zeit­lich noch nicht fest­ste­hen­des, tages­ak­tu­el­les Ereig­nis wer­de als Start­si­gnal der “Alli­anz” an sie zu wer­ten sein, selbst aktiv zu wer­den und mit Gewalt gegen staat­li­che Stel­len vor­zu­ge­hen. Sie hat­ten ihren Ent­schluss, die staat­li­che Ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land unter Anwen­dung von Waf­fen­ge­walt gegen Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes zu besei­ti­gen und sie durch eine eige­ne Staats­struk­tur zu erset­zen, bereits fest gefasst. Auch oblag es allein ihrer Deu­tung, wel­ches tages­ak­tu­el­le Ereig­nis der “Alli­anz” zuzu­rech­nen und als das erhoff­te Start­si­gnal an die Ver­ei­ni­gung zu wer­ten sein soll­te. Die Mit­glie­der der Ver­ei­ni­gung hat­ten mit­hin nur noch dar­über zu ent­schei­den, wann die Umsturz­plä­ne umge­setzt wer­den. Dane­ben plan­te der engs­te Füh­rungs­zir­kel der Ver­ei­ni­gung das gewalt­sa­me Ein­drin­gen einer bewaff­ne­ten Grup­pe von bis 16 Per­so­nen, vor­nehm­lich aus den Rei­hen akti­ver oder ehe­ma­li­ger Ange­hö­ri­ger des Kom­man­do Spe­zi­al­kräf­te der Bun­des­wehr oder ande­rer mili­tä­ri­scher oder poli­zei­li­cher Spe­zi­al­ein­hei­ten, in das Reichs­tags­ge­bäu­de. Er beab­sich­tig­te, Abge­ord­ne­te, Kabi­netts­mit­glie­der und deren Mit­ar­bei­ter ver­haf­ten und abzu­füh­ren zu las­sen. Hier­für war er bereits in kon­kre­te Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen eingetreten.

Der 3. Straf­se­nat hat bei 20 Beschul­dig­ten, dar­un­ter auch einem, dem im Haft­be­fehl ledig­lich die Unter­stüt­zung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung vor­ge­wor­fen wor­den war, den drin­gen­den Ver­dacht der mit­glied­schaft­li­chen Betei­li­gung an einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie der Vor­be­rei­tung eines hoch­ver­rä­te­ri­schen Unter­neh­mens (§ 83 Abs. 1 StGB) bejaht.

Nach der maß­geb­li­chen Ver­dachts­la­ge han­del­te es sich bei der Grup­pie­rung um die Beschul­dig­ten hoch­wahr­schein­lich um eine ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung im Sin­ne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn sie bestand aus mehr als zwei Per­so­nen, war auf län­ge­re Dau­er ange­legt, hat­te eine orga­ni­sa­to­ri­sche Struk­tur und ver­folg­te mit der Abschaf­fung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land sowie der Schaf­fung eines neu­en deut­schen Staats­we­sens ein über­ge­ord­ne­tes gemein­sa­mes Inter­es­se. Die­ses Ziel woll­ten die Mit­glie­der der Ver­ei­ni­gung nach dem gegen­wär­ti­gen Stand der Ermitt­lun­gen hoch­wahr­schein­lich durch die Bege­hung von Kata­log­ta­ten im Sin­ne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB errei­chen. Die Beschul­dig­ten wuss­ten und fan­den sich um des von ihnen ver­folg­ten Zie­les wil­len damit ab, dass es sowohl bei der ver­meint­li­chen Unter­stüt­zung eines Angriffs durch die “Alli­anz” am “Tag X” als auch bei der gewalt­sa­men Erstür­mung des Reichs­tags­ge­bäu­des zu vor­sätz­li­chen Tötun­gen von Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes und Amts­trä­gern gemäß §§ 211, 212 StGB kom­men werde.

Die 20 Beschul­dig­ten glie­der­ten sich nach dem aus dem Akten­ma­te­ri­al ersicht­li­chen Erkennt­nis­stand mit hoher Wahr­schein­lich­keit ein­ver­nehm­lich in die ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung ein und tru­gen mit ihrem Wir­ken im Rat bzw. für den mili­tä­ri­schen Arm unmit­tel­bar zur Durch­set­zung der Zie­le der Orga­ni­sa­ti­on bei. Zwei Beschul­dig­te waren über­dies Rädels­füh­rer der Grup­pie­rung; ihnen kamen nach den inter­nen Abspra­chen, den Plä­nen der Ver­ei­ni­gungs­mit­glie­der und auch rein tat­säch­lich im Hin­blick auf Art, Umfang und Gewicht ihrer Mit­wir­kung eine Füh­rungs­rol­le zu.

Dar­über hin­aus hat der 3. Straf­se­nat die vor­ge­nann­ten 20 Beschul­dig­ten als der Vor­be­rei­tung eines hoch­ver­rä­te­ri­schen Unter­neh­mens nach § 83 Abs. 1 StGB drin­gend ver­däch­tig erach­tet. Ihre Akti­vi­tä­ten ziel­ten hoch­wahr­schein­lich dar­auf ab, die grund­ge­setz­li­che Ord­nung gewalt­sam zu ändern und damit einen Ver­fas­sungs­hoch­ver­rat zu bege­hen. Die Hand­lun­gen der Beschul­dig­ten, von denen im Sin­ne eines drin­gen­den Tat­ver­dachts aus­zu­ge­hen gewe­sen ist, beruh­ten zwar bei objek­ti­ver Betrach­tung auf einem jeden­falls teil­wei­se nicht ohne Wei­te­res nach­voll­zieh­ba­ren gedank­li­chen Fun­da­ment. Sie wie­sen jedoch gleich­wohl den zur Tat­be­stands­er­fül­lung erfor­der­li­chen spe­zi­fi­schen Gefähr­lich­keits­grad auf. Zum Zeit­punkt der Zer­schla­gung der Ver­ei­ni­gung im Dezem­ber 2022 waren bereits nicht uner­heb­li­che Finanz­mit­tel zusam­men­ge­tra­gen, Satel­li­ten­te­le­fo­ne, Muni­ti­on und wei­te­re Mili­tär­aus­rüs­tung beschafft, Schieß­übun­gen durch­ge­führt und meh­re­re Hei­mat­schutz­kom­pa­nien auf­ge­baut wor­den; zudem ver­füg­ten eini­ge Mit­glie­der bereits über eige­ne Waf­fen nebst Muni­ti­on. Dane­ben war die bewaff­ne­te Erstür­mung des Reichs­tags­ge­bäu­des nicht nur geplant, son­dern eini­ge Mit­glie­der der Ver­ei­ni­gung waren dies­be­züg­lich schon in kon­kre­te Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen eingetreten.

Bei zwei Beschul­dig­ten hat der 3. Straf­se­nat den drin­gen­den Tat­ver­dacht der Unter­stüt­zung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB) ange­nom­men, da sie mit hoher Wahr­schein­lich­keit vor­sätz­lich die Betei­li­gungs­hand­lun­gen ein­zel­ner Mit­glie­der der ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung sowohl phy­sisch als auch psy­chisch förderten.

Nach den Ent­schei­dun­gen lagen auch die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für die Anord­nung und Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft vor. Danach war bei allen Beschul­dig­ten der Haft­grund der Flucht­ge­fahr, in den Fäl­len der mit­glied­schaft­li­chen Betei­li­gung auch der­je­ni­ge der Schwer­kri­mi­na­li­tät gege­ben. Der beson­de­re Umfang und die beson­de­re Schwie­rig­keit des Ver­fah­rens haben ein Urteil noch nicht zuge­las­sen und recht­fer­ti­gen die Haft­fort­dau­er. Schließ­lich ist nach Abwä­gung zwi­schen den Frei­heits­grund­rech­ten der Beschul­dig­ten einer­seits sowie dem jewei­li­gen Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se der All­ge­mein­heit ande­rer­seits der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit gewahrt.

Die maß­geb­li­chen Vor­schrif­ten lauten:

Straf­ge­setz­buch

§ 83 Vor­be­rei­tung eines hoch­ver­rä­te­ri­schen Unternehmens

(1) Wer ein bestimm­tes hoch­ver­rä­te­ri­sches Unter­neh­men gegen den Bund vor­be­rei­tet, wird mit Frei­heits­stra­fe von einem Jahr bis zu zehn Jah­ren, in min­der schwe­ren Fäl­len mit Frei­heits­stra­fe von einem Jahr bis zu fünf Jah­ren bestraft.

(2) Wer ein bestimm­tes hoch­ver­rä­te­ri­sches Unter­neh­men gegen ein Land vor­be­rei­tet, wird mit Frei­heits­stra­fe von drei Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bestraft.

§ 129a Bil­dung ter­ro­ris­ti­scher Vereinigungen

(1) Wer eine Ver­ei­ni­gung (§ 129 Absatz 2) grün­det, deren Zwe­cke oder deren Tätig­keit dar­auf gerich­tet sind,

1. Mord (§ 211) oder Tot­schlag (§ 212) oder Völ­ker­mord (§ 6 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches) oder Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit (§ 7 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches) oder Kriegs­ver­bre­chen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches) oder

2. Straf­ta­ten gegen die per­sön­li­che Frei­heit in den Fäl­len des § 239a oder des § 239b

3. (weg­ge­fal­len)

zu bege­hen, oder wer sich an einer sol­chen Ver­ei­ni­gung als Mit­glied betei­ligt, wird mit Frei­heits­stra­fe von einem Jahr bis zu zehn Jah­ren bestraft.

[…]

(4) Gehört der Täter zu den Rädels­füh­rern oder Hin­ter­män­nern, so ist in den Fäl­len der Absät­ze 1 und 2 auf Frei­heits­stra­fe nicht unter drei Jah­ren, in den Fäl­len des Absat­zes 3 auf Frei­heits­stra­fe von einem Jahr bis zu zehn Jah­ren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeich­ne­te Ver­ei­ni­gung unter­stützt, wird in den Fäl­len der Absät­ze 1 und 2 mit Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu zehn Jah­ren, in den Fäl­len des Absat­zes 3 mit Frei­heits­stra­fe bis zu fünf Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeich­ne­te Ver­ei­ni­gung um Mit­glie­der oder Unter­stüt­zer wirbt, wird mit Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bestraft.

[…]

Straf­pro­zess­ord­nung

§ 112 Vor­aus­set­zun­gen der Unter­su­chungs­haft; Haftgründe

(1) Die Unter­su­chungs­haft darf gegen den Beschul­dig­ten ange­ord­net wer­den, wenn er der Tat drin­gend ver­däch­tig ist und ein Haft­grund besteht. Sie darf nicht ange­ord­net wer­den, wenn sie zu der Bedeu­tung der Sache und der zu erwar­ten­den Stra­fe oder Maß­re­gel der Bes­se­rung und Siche­rung außer Ver­hält­nis steht.
(2) Ein Haft­grund besteht, wenn auf Grund bestimm­ter Tatsachen
1. fest­ge­stellt wird, daß der Beschul­dig­te flüch­tig ist oder sich ver­bor­gen hält,
2. bei Wür­di­gung der Umstän­de des Ein­zel­fal­les die Gefahr besteht, daß der Beschul­dig­te sich dem Straf­ver­fah­ren ent­zie­hen wer­de (Flucht­ge­fahr), oder
3. das Ver­hal­ten des Beschul­dig­ten den drin­gen­den Ver­dacht begrün­det, er werde
a) Beweis­mit­tel ver­nich­ten, ver­än­dern, bei­sei­te schaf­fen, unter­drü­cken oder fäl­schen oder
b) auf Mit­be­schul­dig­te, Zeu­gen oder Sach­ver­stän­di­ge in unlau­te­rer Wei­se ein­wir­ken oder
c) ande­re zu sol­chem Ver­hal­ten ver­an­las­sen, und wenn des­halb die Gefahr droht, daß die Ermitt­lung der Wahr­heit erschwert wer­de (Ver­dun­ke­lungs­ge­fahr).
(3) Gegen den Beschul­dig­ten, der einer Straf­tat nach § 6 Absatz 1 Num­mer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Ver­bin­dung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Straf­ge­setz­bu­ches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines ande­ren gefähr­det wor­den ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Straf­ge­setz­bu­ches drin­gend ver­däch­tig ist, darf die Unter­su­chungs­haft auch ange­ord­net wer­den, wenn ein Haft­grund nach Absatz 2 nicht besteht.

§ 121 Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft über sechs Monate

(1) Solan­ge kein Urteil ergan­gen ist, das auf Frei­heits­stra­fe oder eine frei­heits­ent­zie­hen­de Maß­re­gel der Bes­se­rung und Siche­rung erkennt, darf der Voll­zug der Unter­su­chungs­haft wegen der­sel­ben Tat über sechs Mona­te hin­aus nur auf­recht­erhal­ten wer­den, wenn die beson­de­re Schwie­rig­keit oder der beson­de­re Umfang der Ermitt­lun­gen oder ein ande­rer wich­ti­ger Grund das Urteil noch nicht zulas­sen und die Fort­dau­er der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fäl­len des Absat­zes 1 ist der Haft­be­fehl nach Ablauf der sechs Mona­te auf­zu­he­ben, wenn nicht der Voll­zug des Haft­be­fehls nach § 116 aus­ge­setzt wird oder das Ober­lan­des­ge­richt die Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft anordnet.
(3) Wer­den die Akten dem Ober­lan­des­ge­richt vor Ablauf der in Absatz 2 bezeich­ne­ten Frist vor­ge­legt, so ruht der Fris­ten­lauf bis zu des­sen Ent­schei­dung. Hat die Haupt­ver­hand­lung begon­nen, bevor die Frist abge­lau­fen ist, so ruht der Fris­ten­lauf auch bis zur Ver­kün­dung des Urteils. Wird die Haupt­ver­hand­lung aus­ge­setzt und wer­den die Akten unver­züg­lich nach der Aus­set­zung dem Ober­lan­des­ge­richt vor­ge­legt, so ruht der Fris­ten­lauf eben­falls bis zu des­sen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Straf­kam­mer nach § 74a des Gerichts­ver­fas­sungs­ge­set­zes zustän­dig ist, ent­schei­det das nach § 120 des Gerichts­ver­fas­sungs­ge­set­zes zustän­di­ge Ober­lan­des­ge­richt. In den Sachen, in denen ein Ober­lan­des­ge­richt nach den §§ 120 oder 120b des Gerichts­ver­fas­sungs­ge­set­zes zustän­dig ist, tritt an des­sen Stel­le der Bundesgerichtshof.

§ 122 Beson­de­re Haft­prü­fung durch das Oberlandesgericht

(1) In den Fäl­len des § 121 legt das zustän­di­ge Gericht die Akten durch Ver­mitt­lung der Staats­an­walt­schaft dem Ober­lan­des­ge­richt zur Ent­schei­dung vor, wenn es die Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft für erfor­der­lich hält oder die Staats­an­walt­schaft es beantragt.
(2) Vor der Ent­schei­dung sind der Beschul­dig­te und der Ver­tei­di­ger zu hören. Das Ober­lan­des­ge­richt kann über die Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft nach münd­li­cher Ver­hand­lung ent­schei­den; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.
(3) Ord­net das Ober­lan­des­ge­richt die Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 ent­spre­chend. Für die wei­te­re Haft­prü­fung (§ 117 Abs. 1) ist das Ober­lan­des­ge­richt zustän­dig, bis ein Urteil ergeht, das auf Frei­heits­stra­fe oder eine frei­heits­ent­zie­hen­de Maß­re­gel der Bes­se­rung und Siche­rung erkennt. Es kann die Haft­prü­fung dem Gericht, das nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten dafür zustän­dig ist, für die Zeit von jeweils höchs­tens drei Mona­ten über­tra­gen. In den Fäl­len des § 118 Abs. 1 ent­schei­det das Ober­lan­des­ge­richt über einen Antrag auf münd­li­che Ver­hand­lung nach sei­nem Ermessen.
(4) Die Prü­fung der Vor­aus­set­zun­gen nach § 121 Abs. 1 ist auch im wei­te­ren Ver­fah­ren dem Ober­lan­des­ge­richt vor­be­hal­ten. Die Prü­fung muß jeweils spä­tes­tens nach drei Mona­ten wie­der­holt werden.
(5) Das Ober­lan­des­ge­richt kann den Voll­zug des Haft­be­fehls nach § 116 aussetzen.
(6) Sind in der­sel­ben Sache meh­re­re Beschul­dig­te in Unter­su­chungs­haft, so kann das Ober­lan­des­ge­richt über die Fort­dau­er der Unter­su­chungs­haft auch sol­cher Beschul­dig­ter ent­schei­den, für die es nach § 121 und den vor­ste­hen­den Vor­schrif­ten noch nicht zustän­dig wäre.
(7) Ist der Bun­des­ge­richts­hof zur Ent­schei­dung zustän­dig, so tritt die­ser an die Stel­le des Oberlandesgerichts. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…