Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23.06.2025, AZ 5 ORs 17/25, 5 ORs 17/25 – 121 SRs 31/25
Ausgabe: 04-06/2025
1. Der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis durch einen Strafgefangenen in seinem Haft-raum während der Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe unterfällt der Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG, die eine Ahndung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit ausschließt. Insoweit handelt es sich bei dem Haftraum um den gewöhnlichen Aufenthalt des Gefangenen.
2. Der Gesetzgeber hat die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts in § 1 Nr. 17 KCanG explizit an diejenige in § 9 AO und § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I angelehnt, die nach der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch den Aufenthalt eines Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt bei Vollzug einer mehrjährigen Freiheitsstrafe erfassen. Auf die Freiwilligkeit des Aufenthalts kommt es dabei nicht an; entscheidend sind vielmehr (allein) die tatsächlichen Verhältnisse.
3. Der Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG rechtfertigt keine andere Auslegung. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zielrichtung der Vorschrift, Personen von einer Strafbarkeit auszunehmen, die neben dem nach § 3 Abs. 1 KCanG erlaubten Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum in zulässiger Weise Cannabispflanzen anbauen und abernten, hat im Gesetzeswortlaut ebenso wenig Niederschlag gefunden wie eine mögliche Begrenzung der Erlaubnis auf private Räumlichkeiten. Die Gestattung des Besitzes von bis zu 50 Gramm Cannabis gilt vielmehr unabhängig davon, ob die betreffen-de Person zugleich auch lebende Cannabispflanzen besitzt – was in einer Justizvollzugsanstalt möglicherweise nicht von der Erlaubnisnorm erfasst ist.
4. Bei der Einordnung als gewöhnlicher Aufenthalt kommt es nicht darauf an, dass der Haft-raum nicht vom Schutzbereich des in Art. 13 GG gewährleisteten Wohnungsgrundrechts erfasst ist.
5. Allgemeine Erwägungen zur Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt oder zur Gefährdung des Vollzugsziels haben im Konsumcannabisgesetz keinen Ausdruck gefunden und können daher nicht zur Einschränkung des Erlaubnistatbestandes des § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG herangezogen werden. Sonderregelungen, wie sie etwa für militärische Be-reiche der Bundeswehr, Schulen, Kinderspielplätze oder Kinder- und Jugendeinrichtungen gelten, hat der Gesetzgeber für Justizvollzugsanstalten gerade nicht getroffen. Eine erweiternde Auslegung dieser Normen verbietet sich mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG.
6. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, den Besitz und Konsum von Cannabis in Justizvollzugsanstalten und Maßregelvollzugseinrichtungen auf der Grundlage der jeweils geltenden Vollzugsgesetze etwa im Wege der Allgemeinverfügung beziehungsweise in der Hausordnung mit Blick auf die Sicherheit und Ordnung der Anstalt generell zu untersagen und entsprechende Verstöße mit vollzuglichen Maßnahmen zu ahnden.
Weitere Informationen: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001…