Beschluss vom 1. Febru­ar 2018 — 2 Ws 760/17

Die Staats­an­walt­schaft Koblenz legt den Ange­schul­dig­ten, zu denen der ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­rer sowie ein frü­he­rer Pro­ku­rist der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH zäh­len, in der Zeit von April 2009 bis Dezem­ber 2014 began­ge­ne Straf­ta­ten (Bestechung/Bestechlichkeit im geschäft­li­chen Ver­kehr, Untreue sowie Bei­hil­fe zur Bestech­lich­keit und Untreue) im Zusam­men­hang mit der Ende April 2009 erfolg­ten Ver­län­ge­rung eines Ver­tra­ges über Pas­sa­gier­ab­fer­ti­gungs­dienst­leis­tun­gen im Auf­trag der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH zur Last und hat ent­spre­chen­de Ankla­ge erhoben. 

So sol­len (vgl. Pres­se­mit­tei­lung der Staats­an­walt­schaft Koblenz vom 22. Juli 2016) der ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­rer sowie der frü­he­re Pro­ku­rist im April 2009 einen zwi­schen der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH sowie einem Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men bis zum 31.12.2011 bestehen­den Pas­sa­gier­ab­fer­ti­gungs­ver­trag vor­zei­tig und unter Ver­let­zung einer für den Ver­län­ge­rungs­zeit­raum bestehen­den euro­pa­wei­ten Aus­schrei­bungs­pflicht bis zum 31.12.2015 ver­län­gert haben. Im Gegen­zug soll der gleich­falls ange­klag­te Eigen­tü­mer der Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft den wei­te­ren Ange­schul­dig­ten finan­zi­el­le Zuwen­dun­gen (unter ande­rem in Form eines Bera­ter­ver­tra­ges sowie deut­lich unter Markt­wert ver­äu­ßer­ter Kraft­fahr­zeu­ge) ver­spro­chen und auch geleis­tet haben. 

Die 4. gro­ße Straf­kam­mer (Wirt­schafts­straf­kam­mer) des Land­ge­richts Koblenz hat durch Beschluss vom 27. Okto­ber 2017 die Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens gegen die Ange­schul­dig­ten abge­lehnt. Aus Sicht der Kam­mer habe aus tat­säch­li­chen Grün­den kei­ne hin­rei­chen­de Wahr­schein­lich­keit einer Ver­ur­tei­lung der Ange­schul­dig­ten bestan­den. Dabei habe offen blei­ben kön­nen, ob eine Aus­schrei­bungs­pflicht über­haupt bestan­den habe und deren Umge­hung pflicht­wid­rig gewe­sen sei, weil jeden­falls ein Nach­teil zulas­ten der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH mit den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Beweis­mit­teln nicht nach­zu­wei­sen sei. 

Gegen die­sen Beschluss hat die Staats­an­walt­schaft Koblenz sofor­ti­ge Beschwer­de eingelegt. 

Durch sei­nen Beschluss vom 1. Febru­ar 2018 hat der 2. Straf­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Koblenz die­se sofor­ti­ge Beschwer­de der Staats­an­walt­schaft Koblenz als unbe­grün­det ver­wor­fen. So sei kein hin­rei­chen­der Tat­ver­dacht für die den Ange­schul­dig­ten ange­las­te­te gemein­schaft­li­che Untreue durch Abschluss des Ver­län­ge­rungs­ver­trags gege­ben, der allein Gegen­stand der ange­klag­ten Untreue­hand­lung sei, da unter kei­nem der in Betracht kom­men­den recht­li­chen Aspek­te ein hin­rei­chen­der Ver­dacht der Pflicht­wid­rig­keit der Tat­hand­lung der Ange­schul­dig­ten bestehe. 

Zwar sei der für die Jah­re 2012 bis 2014 erteil­te Dienst­leis­tungs­auf­trag zur Durch­füh­rung der Pas­sa­gier­ab­fer­ti­gung nach den Bestim­mun­gen des klas­si­schen Ver­ga­be­rechts euro­pa­weit aus­zu­schrei­ben gewe­sen, so dass in der vor­ge­nom­me­nen Ver­trags­ver­län­ge­rung eine Ver­let­zung die­ser Pflicht zur euro­pa­wei­ten Aus­schrei­bung zu sehen sei. Ob die Ange­schul­dig­ten dabei vor­sätz­lich gehan­delt haben, erschei­ne wegen der außer­or­dent­lich schwie­ri­gen Rechts­la­ge im Jahr 2009 aber zwei­fel­haft und kön­ne hier letzt­lich offen blei­ben. Nicht jeder Ver­stoß gegen die Rechts­ord­nung begrün­de näm­lich zugleich eine rele­van­te Pflicht­ver­let­zung im Sin­ne des Untreu­e­tat­be­stan­des (§ 266 Abs. 1 StGB). Viel­mehr kom­me den ver­letz­ten ver­ga­be­recht­li­chen Bestim­mun­gen hier in Bezug auf die Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH kein ver­mö­gens­schüt­zen­der Cha­rak­ter zu, da das Ver­ga­be­recht nicht dem Schutz des Ver­mö­gens der Gesell­schaft, son­dern dem des euro­päi­schen Bin­nen­mark­tes vor Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen die­ne. Bei der Ver­let­zung der Aus­schrei­bungs­pflicht habe es sich mit­hin nicht um eine Pflicht­ver­let­zung i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB gehandelt. 

Unab­hän­gig von der im Zen­trum der Ankla­ge­schrift ste­hen­den Ver­let­zung einer Pflicht zur euro­pa­wei­ten Aus­schrei­bung sei der Sach­ver­halt auf wei­te­re in Betracht kom­men­de Pflicht­ver­let­zun­gen zu unter­su­chen gewe­sen, ohne dass dies zu einem ande­ren Ergeb­nis geführt habe. So lie­ge in dem Ver­trags­ab­schluss ohne vor­he­ri­ge Zustim­mung des – zu die­sem Zeit­punkt nicht beschluss­fä­hi­gen – Auf­sichts­rats der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH kei­ne Pflicht­ver­let­zung des dama­li­gen Geschäfts­füh­rers. Eben­so wenig kön­ne aus der maß­geb­li­chen ex-ante Betrach­tung ein die Gren­zen der unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dungs­frei­heit über­schrei­ten­der, evi­dent nach­tei­li­ger Geschäfts­ab­schluss her­ge­lei­tet wer­den. Auch lie­ge kein hin­rei­chen­der Ver­dacht für ein Aus­lö­sen über­höh­ter Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen vor, die über Umwe­ge zum Treu­pflich­ti­gen aus­ge­kehrt wor­den sei­en (sog. Provisions‑, Schmier­geld- oder „Kick-back“-Zahlungen).

Die­se Grün­de wirk­ten letzt­lich auch auf den Vor­wurf der Bestechung bzw. Bestech­lich­keit im geschäft­li­chen Ver­kehr durch. So feh­le es nach den hier vor­lie­gen­den Gesamt­um­stän­den an einem hin­rei­chen­den Ver­dacht für das Vor­lie­gen des zen­tra­len Tat­be­stands­merk­mals einer Unrechts­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Geschäfts­part­nern. Im Übri­gen lie­ge hin­sicht­lich der Wert­dif­fe­renz der Pkw nahe, dass es sich um einen Teil der Ver­gü­tung für ande­re zwi­schen den Ange­schul­dig­ten ver­ein­bar­te Ver­trags­ver­hält­nis­se gehan­delt habe. Zugleich sei nicht wider­leg­bar, dass dem in der Zeit nach sei­nem Aus­schei­den als Geschäfts­füh­rer der Flug­ha­fen Frank­furt-Hahn GmbH geschlos­se­nen, ord­nungs­ge­mäß über die Buch­hal­tung abge­rech­ne­ten Bera­ter­ver­trag mit der Gesell­schaft des Mit­an­ge­schul­dig­ten adäqua­te Bera­tungs­leis­tun­gen zu Grun­de gele­gen hätten. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: https://olgko.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/detail/News/nichteroeffnung-des-hauptverfahrens-gegen-frueheren-geschaeftsfuehrer-der-flughafen-frankfurt-hahn-gmbh/