BGH, Beschluss vom 04.11.2021, AZ 6 StR 12/20

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 203/2021, vom 04.11.2021

Urtei­le in der Regens­bur­ger Kor­rup­ti­ons-Affä­re teil­wei­se aufgehoben 

Urteil vom 4. Novem­ber 2021 – 6 StR 12/20

Das Land­ge­richt Regens­burg hat den Ange­klag­ten Wo., den frü­he­ren Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Regens­burg, in einem ers­ten Ver­fah­ren wegen Vor­teils­an­nah­me in zwei Fäl­len ver­ur­teilt, inso­weit jedoch von Stra­fen abge­se­hen (§ 60 StGB) und im Übri­gen frei­ge­spro­chen. Die Mit­an­ge­klag­ten T. und Wi., einen Bau­un­ter­neh­mer und des­sen frü­he­ren Geschäfts­füh­rer, hat es wegen Vor­teils­ge­wäh­rung und teils tat­ein­heit­lich began­ge­nen Ver­stö­ßen gegen das Par­tei­en­gesetz zu Frei­heits- bzw. Geld­stra­fen ver­ur­teilt und im Übri­gen – wie den Ange­klag­ten H., den Vor­sit­zen­den der Regens­bur­ger Stadt­rats­frak­ti­on der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (SPD), ins­ge­samt – frei­ge­spro­chen. In einem zwei­ten Ver­fah­ren hat das Land­ge­richt den Ange­klag­ten Wo. wegen Bestech­lich­keit ver­ur­teilt und die Voll­stre­ckung der ein­jäh­ri­gen Frei­heits­stra­fe zur Bewäh­rung ausgesetzt. 

Nach den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts warb der Ange­klag­te Wo. als Kan­di­dat der SPD für das Amt des Ober­bür­ger­meis­ters in Regens­burg bei der baye­ri­schen Kom­mu­nal­wahl 2014 zur Finan­zie­rung sei­nes Wahl­kampfs Spen­den ein. Der Ange­klag­te T. unter­stütz­te den von Wo. gelei­te­ten SPD-Orts­ver­ein dabei von 2011 bis 2016 mit einem mitt­le­ren sechs­stel­li­gen Betrag, leis­te­te die Zuwen­dun­gen aber nicht alle­samt selbst, son­dern auch über sei­ne Unter­neh­men, bei die­sen beschäf­tig­te Mit­ar­bei­ter und Ange­hö­ri­ge. Zudem erhiel­ten der Ange­klag­te Wo. und des­sen Ange­hö­ri­ge in die­sem Zeit­raum zusätz­li­che Ver­güns­ti­gun­gen und Rabat­te durch die Ange­klag­ten T. und Wi., indem etwa Hand­wer­ker­rech­nun­gen teil­wei­se über­nom­men oder Preis­nach­läs­se bei Woh­nungs­käu­fen gewährt wur­den. Weil die durch den Ange­klag­ten T. erstreb­ten Amts­hand­lun­gen aber erst nach der Wahl des Ange­klag­ten Wo. zum Ober­bür­ger­meis­ter erbracht wer­den konn­ten, sei­en nach Ansicht des Land­ge­richts nur das Gewäh­ren und das Anneh­men von Spen­den nach der Kom­mu­nal­wahl als Vor­teils­an­nah­me bzw. Vor­teils­ge­wäh­rung straf­bar. Die Auf­tei­lung der Spen­den auf “Stroh­män­ner” durch die Ange­klag­ten T. und Wi. hat das Land­ge­richt jeweils als Ver­stoß gegen das Par­tei­en­gesetz gewertet. 

In einem zwei­ten Ver­fah­ren hat eine ande­re Kam­mer des Land­ge­richts die Annah­me von Spen­den eines ande­ren Bau­un­ter­neh­mers, des Ver­ur­teil­ten D., durch den SPD-Orts­ver­ein wegen einer fest­ge­stell­ten Ver­bin­dung mit einer kon­kre­ten Amts­hand­lung des Wo. als Bestech­lich­keit gewer­tet. Vom Vor­wurf der straf­ba­ren Annah­me wei­te­rer Spen­den Ds. und des Bau­un­ter­neh­mers Sch. hat das Land­ge­richt den Ange­klag­ten Wo. freigesprochen. 

Der 6. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat auf die Revi­sio­nen der Staats­an­walt­schaft das ers­te Urteil des Land­ge­richts Regens­burg in wei­ten Tei­len auf­ge­ho­ben. Der recht­li­che Aus­gangs­punkt des Land­ge­richts, der Ange­klag­te Wo. habe sich vor sei­ner Wahl zum Ober­bür­ger­meis­ter noch nicht zu rechts­wid­ri­gen Dienst­hand­lun­gen für die Zeit nach sei­ner Wahl bereit­erklä­ren kön­nen, ist nicht trag­fä­hig. Das Land­ge­richt hat inso­weit nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt, dass der Ange­klag­te Wo. auch schon vor der Kom­mu­nal­wahl wegen sei­ner Stel­lung als 3. Bür­ger­meis­ter der Stadt Regens­burg in einer geho­be­nen Pflich­ten­po­si­ti­on stand, die es ihm unter­sag­te, im Zusam­men­hang mit sei­nem Amt Vor­tei­le anzu­neh­men. Zwar ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs bei der Annah­me von Wahl­kampf­spen­den das Risi­ko des Wahl­be­wer­bers, sich wegen Vor­teils­an­nah­me straf­bar zu machen, mit den Grund­sät­zen der Wahl­gleich­heit in einen Aus­gleich zu brin­gen. Die vor­lie­gen­den Spen­den­leis­tun­gen gin­gen nach den rechts­feh­ler­frei­en land­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen jedoch über die För­de­rung der all­ge­mei­nen poli­ti­schen Aus­rich­tung des Ange­klag­ten Wo. hin­aus. Aus die­sem Grund waren die (Teil-)Freisprüche im Zusam­men­hang mit den Spen­den an den SPD-Orts­ver­ein vor der Kom­mu­nal­wahl sowie mit den gewähr­ten sons­ti­gen Ver­güns­ti­gun­gen auf­zu­he­ben. Eben­falls kei­nen Bestand konn­te der von Stra­fe abse­hen­de Rechts­fol­gen­aus­spruch des land­ge­richt­li­chen Urteils haben, weil das Tat­ge­richt zu des­sen Begrün­dung nicht berück­sich­ti­gungs­fä­hi­ge Umstän­de her­an­ge­zo­gen hat. 

Die Ver­ur­tei­lun­gen der Ange­klag­ten T. und Wi. wegen Ver­stö­ßen gegen das Par­tei­en­gesetz haben auf die Revi­sio­nen der Staats­an­walt­schaft und des Ange­klag­ten T. kei­nen Bestand, weil dem Land­ge­richt inso­weit ein Ver­fah­rens­feh­ler unter­lau­fen ist. 

Die Revi­sio­nen gegen das zwei­te Urteil des Regens­bur­ger Land­ge­richts blie­ben hin­ge­gen ohne Erfolg. 

Vor­in­stanz:
Land­ge­richt Regens­burg — Urtei­le vom 4. Juli 2019 – 6 KLs 152 Js 16476/16 WS und vom 17. Juni 2020 – 5 KLs 152 Js 168/17

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…