BGH, Beschluss vom 28.12.2021, AZ 1 StR 291/21

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 233/2021, vom 28.12.2021

Ver­such­ter Mord am Bahn­hof Wag­häu­sel muss teil­wei­se neu ver­han­delt werden 

Beschluss vom 2. Novem­ber 2021 – 1 StR 291/21

Der 1. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat den Revi­sio­nen der Ange­klag­ten gegen das Urteil des Land­ge­richts Karls­ru­he teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Die­ses hat­te den Ange­klag­ten A. wegen ver­such­ten Mor­des in Tat­ein­heit mit gefähr­li­cher Kör­per­ver­let­zung zu einer Frei­heits­stra­fe von zehn Jah­ren ver­ur­teilt. Den jün­ge­ren Bru­der des Ange­klag­ten A., den Ange­klag­ten Al., hat­te es wegen unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung zu einer Frei­heits­stra­fe von neun Mona­ten ver­ur­teilt und die Voll­stre­ckung der Stra­fe zur Bewäh­rung ausgesetzt. 

Nach den Fest­stel­lun­gen des Schwur­ge­richts tra­fen die bei­den Ange­klag­ten am 28. Juli 2020 am Bahn­hof Wag­häu­sel zufäl­lig auf einen ihnen unbe­kann­ten 54-jäh­ri­gen Früh­rent­ner, der auf dem Bahn­steig war­te­te. Der Ange­klag­te A. ließ spon­tan sei­ne Wut und Ent­täu­schung über sei­ne Lebens­si­tua­ti­on in Deutsch­land an dem Geschä­dig­ten aus und stieß ihn in das Gleis­bett hin­un­ter. Befrei­ungs­ver­su­che des Geschä­dig­ten ver­hin­der­te der Ange­klag­te A. mit Trit­ten und Schlä­gen selbst dann noch, als sich ein Güter­zug mit hoher Geschwin­dig­keit dem Geschä­dig­ten näher­te. Bei­de Ange­klag­ten flo­hen. Der Geschä­dig­te über­leb­te schwer ver­letzt. Das Land­ge­richt hat das Mord­merk­mal der nied­ri­gen Beweg­grün­de als erfüllt angesehen. 

Der 1. Straf­se­nat hat auf die Revi­sio­nen der Ange­klag­ten die Schuld­sprü­che auf­ge­ho­ben, weil die Fest­stel­lun­gen zu deren Vor­stel­lungs­bild wider­sprüch­lich waren. Die Ver­ur­tei­lung des Ange­klag­ten A. konn­te auch des­halb kei­nen Bestand haben, weil das Land­ge­richt die Schuld­fä­hig­keit die­ses Ange­klag­ten rechts­feh­ler­haft beur­teilt hat. So wur­de eine para­no­ide Schi­zo­phre­nie nicht aus­rei­chend unter­sucht, weil das Land­ge­richt die Auf­fäl­lig­kei­ten in sei­ner Lebens­füh­rung im Tat­zeit­raum nur unzu­rei­chend gewür­digt hat. Zudem las­sen die Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts eine – sich auf­drän­gen­de – Aus­ein­an­der­set­zung mit einer dro­gen­in­du­zier­ten Psy­cho­se vermissen. 

Die Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts zum objek­ti­ven Tat­ge­sche­hen hat der Senat bestehen las­sen, da die Beweis­wür­di­gung des Land­ge­richts dies­be­züg­lich nicht zu bean­stan­den war. In der neu­en Ver­hand­lung wird vor allem eine mög­li­che geis­ti­ge Erkran­kung des Ange­klag­ten A. ein­ge­hend zu prü­fen sein und damit auch, ob der Ange­klag­te A. gege­be­nen­falls in einem psych­ia­tri­schen Kran­ken­haus unter­zu­brin­gen ist. 

Vor­in­stanz:
LG Karls­ru­he – Urteil vom 22. April 2021 – 1 Ks 100 Js 28230/20

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