Pres­se­mit­tei­lung des BGH Nr. 52/2020 vom 06.05.2020

Ver­ur­tei­lung der ehe­ma­li­gen AfD-Vor­sit­zen­den wegen fahr­läs­si­gen Falscheids aufgehoben 

Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 424/19

Das Land­ge­richt Dres­den hat die ehe­ma­li­ge AfD-Vor­sit­zen­de Dr. Petry wegen fahr­läs­si­gen Falscheids (§ 161 Abs. 1 StGB) zu einer Geld­stra­fe verurteilt. 

Nach den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts nahm die Ange­klag­te als Vor­sit­zen­de der AfD-Frak­ti­on an der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Säch­si­schen Wahl­prü­fungs­aus­schuss teil, der nach Ein­sprü­chen gegen die Gül­tig­keit der Wahl zum Säch­si­schen Land­tag 2014 zusam­men­ge­tre­ten war. Im Lau­fe des Wahl­prü­fungs­ver­fah­rens wur­de sie als Zeu­gin ver­nom­men und anschlie­ßend ver­ei­digt. Hier­bei war ihr bewusst, dass sie meh­re­re Fra­gen nicht oder nur ein­ge­schränkt aus ihrer Erin­ne­rung her­aus beant­wor­tet hat­te und es ihr mög­lich gewe­sen wäre, ihre Ant­wor­ten zu korrigieren. 

Das Land­ge­richt ist bei sei­ner recht­li­chen Bewer­tung davon aus­ge­gan­gen, die Ange­klag­te sei zwar Betei­lig­te des Wahl­prü­fungs­ver­fah­rens gewe­sen, habe als sol­che aber auch als Zeu­gin ver­nom­men und ver­ei­digt wer­den können. 

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die Ver­ur­tei­lung auf die Revi­si­on der Ange­klag­ten auf­ge­ho­ben und sie frei­ge­spro­chen. Nach sei­ner Auf­fas­sung hat sich die Ange­klag­te nicht wegen fahr­läs­si­gen Falscheids straf­bar gemacht, da sie als Ver­tre­te­rin der am Wahl­prü­fungs­ver­fah­ren betei­lig­ten AfD-Frak­ti­on von der Zeu­gen­rol­le aus­ge­schlos­sen gewe­sen sei. Das Säch­si­sche Wahl­prü­fungs­ge­setz sehe zwar eine Ver­ei­di­gung von Zeu­gen durch den Wahl­prü­fungs­aus­schuss vor, las­se bei den nach § 7 des Säch­si­schen Wahl­prü­fungs­ge­set­zes am Ver­fah­ren Betei­lig­ten aber kei­ne Ver­neh­mung als Zeu­gen zu. Könn­ten Betei­lig­te – wie hier die AfD-Land­tags­frak­ti­on – nur durch Ver­tre­ter han­deln, wür­den die­se die für die Betei­lig­ten gel­ten­den Rech­te und Pflich­ten wahr­neh­men. Sei die Stel­lung der Betei­lig­ten selbst mit der Zeu­gen­rol­le unver­ein­bar, gel­te dies auch für ihre im Wahl­prü­fungs­ver­fah­ren han­deln­den Ver­tre­ter. Da die eid­li­che Zeu­gen­ver­neh­mung der Ange­klag­ten unzu­läs­sig war, hat sie den objek­ti­ven Tat­be­stand des Falscheids nicht verwirklicht. 

Mit der Auf­he­bung des Urteils hat der 5. (Leip­zi­ger) Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs die Ange­klag­te frei­ge­spro­chen (§ 354 Abs. 1 StPO), da wei­ter­ge­hen­de, einen Schuld­spruch tra­gen­de Fest­stel­lun­gen durch ein neu­es Tat­ge­richt aus­zu­schlie­ßen sei­en. Die Sache ist damit rechts­kräf­tig abgeschlossen. 

Vor­in­stanz:
Land­ge­richt Dres­den – Urteil vom 2. April 2020 – 15 KLs 205 Js 29021/16

Maß­geb­li­che gesetz­li­che Bestimmungen: 

§ 154 (Mein­eid)

Wer vor Gericht oder vor einer ande­ren zur Abnah­me von Eiden zustän­di­gen Stel­le falsch schwört, wird mit Frei­heits­stra­fe nicht unter einem Jahr bestraft. 

§ 161 StGB (Fahr­läs­si­ger Falscheid) 

(1) Wenn eine der in den §§ 154 bis 156 bezeich­ne­ten Hand­lun­gen aus Fahr­läs­sig­keit began­gen wor­den ist, so tritt Frei­heits­stra­fe bis zu einem Jahr oder Geld­stra­fe ein. 

§ 7 SächsW­prG (Ladung zur münd­li­chen Verhandlung) 

(1) 1Zu den Ver­hand­lungs­ter­mi­nen sind min­des­tens eine Woche vor­her der Ein­spruchs­füh­rer und der betrof­fe­ne Abge­ord­ne­te, des­sen Wahl ange­foch­ten ist, zu laden. 

(2) Von dem Ver­hand­lungs­ter­min sind gleich­zei­tig zu benachrichtigen: 

1. Prä­si­dent des Landtages, 

2. das Staats­mi­nis­te­ri­um des Innern, 

3. der Landeswahlleiter, 

4. die Frak­ti­on des Land­ta­ges, der der betrof­fe­ne Abge­ord­ne­te angehört. 

(3) 1Die in den Absät­zen 1 und 2 Genann­ten sind Betei­lig­te an dem Ver­fah­ren. 2Sie haben ein selb­stän­di­ges Antrags­recht und das Recht auf Ein­sicht in die Akten des jewei­li­gen Wahl­prü­fungs­ver­fah­rens im Büro des Landtages. 

§ 354 StPO (Eige­ne Ent­schei­dung in der Sache) 

(1) Erfolgt die Auf­he­bung des Urteils nur wegen Geset­zes­ver­let­zung bei Anwen­dung des Geset­zes auf die dem Urteil zugrun­de lie­gen­den Fest­stel­lun­gen, so hat das Revi­si­ons­ge­richt in der Sache selbst zu ent­schei­den, sofern ohne wei­te­re tat­säch­li­che Erör­te­run­gen nur auf Frei­spre­chung oder auf Ein­stel­lung oder auf eine abso­lut bestimm­te Stra­fe zu erken­nen ist oder das Revi­si­ons­ge­richt in Über­ein­stim­mung mit dem Antrag der Staats­an­walt­schaft die gesetz­lich nied­rigs­te Stra­fe oder das Abse­hen von Stra­fe für ange­mes­sen erachtet. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…