BGH, Beschluss vom 20.05.2021, AZ 4 StR 142/20

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 100/2021, vom 20.05.2021

Ver­ur­tei­lung des Ange­klag­ten im Fall einer töd­lich enden­den Poli­zei­flucht durch die Ber­li­ner Innen­stadt rechtskräftig 

Beschluss vom 24. März 2021 — 4 StR 142/20

Das Land­ge­richt Ber­lin hat den zur Tat­zeit 27-jäh­ri­gen Ange­klag­ten unter ande­rem wegen zwei­fa­chen Mor­des in Tat­ein­heit mit drei­fa­chem ver­such­ten Mord und mit ver­bo­te­nem Kraft­fahr­zeug­ren­nen mit Todes­fol­ge zu lebens­lan­ger Frei­heits­stra­fe verurteilt. 

Gegen­stand des Ver­fah­rens war eine hoch­ge­fähr­li­che Flucht­fahrt des Ange­klag­ten vor der Poli­zei durch die Ber­li­ner Innen­stadt, die mit dem Tod zwei­er Men­schen ende­te. Der Ange­klag­te, der mit sei­nem Fahr­zeug von meh­re­ren Poli­zei­fahr­zeu­gen ein­ge­kes­selt war und sich sei­ner Fest­nah­me wegen einer vor­an­ge­gan­ge­nen Straf­tat ent­zie­hen woll­te, ramm­te sich zunächst unter erheb­li­cher Gefähr­dung von Poli­zei­be­am­ten einen Flucht­weg frei. Sei­ne Flucht setz­te er teil­wei­se unter Nut­zung der Gegen­fahr­bahn und mit erheb­lich über­höh­ter Geschwin­dig­keit fort. Als er unter vol­ler Beschleu­ni­gung sei­nes Fahr­zeugs trotz für sei­ne Fahrt­rich­tung seit meh­re­ren Sekun­den bestehen­den Rot­lichts in eine für ihn nicht ein­seh­ba­re Kreu­zung mit einer vier­spu­ri­gen Haupt­ver­kehrs­stra­ße ein­fuhr, kam es zu einer Kol­li­si­on mit zwei von rechts und links die Kreu­zung bei Grün­licht que­ren­den Fahr­zeu­gen. Sein Fahr­zeug wur­de wie­der­um auf eine die Fahr­bahn eben­falls bei Grün­licht kreu­zen­de Fuß­gän­ge­rin und schließ­lich auf ein par­ken­des Fahr­zeug geschleu­dert. Die Fuß­gän­ge­rin sowie sein an der vor­an­ge­gan­ge­nen Tat betei­lig­ter Bei­fah­rer kamen ums Leben. Der Ange­klag­te flüch­te­te trotz eige­ner Ver­let­zun­gen zu Fuß weiter. 

Der u.a. für Ver­kehrs­straf­sa­chen zustän­di­ge 4. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat die gegen sei­ne Ver­ur­tei­lung gerich­te­te Revi­si­on des Ange­klag­ten als unbe­grün­det ver­wor­fen. Ins­be­son­de­re ver­moch­te der Senat einen revi­si­ons­recht­lich beacht­li­chen Rechts­feh­ler in der vom Ange­klag­ten ange­grif­fe­nen Beweis­wür­di­gung, mit der das Land­ge­richt einen beding­ten Tötungs­vor­satz des Ange­klag­ten ange­nom­men hat­te, nicht zu erken­nen. Das Land­ge­richt hat­te sei­ne ent­spre­chen­de Über­zeu­gung in Anse­hung der Recht­spre­chung des Senats zu hoch­ris­kan­tem Fahr­ver­hal­ten im Stra­ßen­ver­kehr unter Berück­sich­ti­gung der beson­de­ren Umstän­de des Ein­zel­falls, ins­be­son­de­re des durch den unbän­di­gen Flucht­wil­len gepräg­ten und in sei­ner Gefähr­lich­keit nicht mehr zu über­tref­fen­den Ver­hal­tens des Ange­klag­ten, gebil­det und sei­ne Ent­schei­dung trag­fä­hig begründet. 

Auch die durch den Senat eben­falls zu über­prü­fen­de Ver­ur­tei­lung des Ange­klag­ten wegen ver­bo­te­nen Kraft­fahr­zeug­ren­nens mit Todes­fol­ge gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB war nicht zu bean­stan­den. Der Senat hat­te anhand die­ses Fal­les Gele­gen­heit, die Anwend­bar­keit der Straf­vor­schrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in soge­nann­ten Poli­zei­flucht­fäl­len zu über­prü­fen und die von ihm ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en und Leit­li­ni­en zur Aus­le­gung die­ser Vor­schrift wei­ter zu kon­kre­ti­sie­ren. Hier­an gemes­sen war die Ver­ur­tei­lung des Ange­klag­ten wegen der Durch­füh­rung eines ver­bo­te­nen “Allein­ren­nens” rechtsfehlerfrei. 

Vor­in­stanz:
Land­ge­richt Ber­lin — Urteil vom 27. Juni 2019 – (540 Ks) 235 Js 2605/18 (7/18)

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