BGH, Beschluss vom 03.08.2023, AZ 3 StR 424/22

Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs, Nr. 134/2023, vom 03.08.2023

Ver­ur­tei­lung von drei Ange­klag­ten wegen Mit­glied­schaft in der “Goy­im Par­tei” rechtskräftig

Beschluss vom 28. Juni 2023 — 3 StR 424/22

Das Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf hat drei Ange­klag­te wegen mit­glied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und zahl­rei­cher Fäl­le der Volks­ver­het­zung zu Frei­heits­stra­fen zwi­schen zwei und fünf Jah­ren ver­ur­teilt, den Ange­klag­ten J. außer­dem wegen Grün­dung der Gruppierung.

Nach den vom Ober­lan­des­ge­richt getrof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ver­brei­te­te J. auf der rus­si­schen Inter­net­platt­form vk.com anti­se­mi­ti­sche Hass­bot­schaf­ten. Um den Anschein einer welt­weit akti­ven poli­ti­schen Bewe­gung zu erzeu­gen, ersann und ver­wen­de­te er den Namen “Goy­im Par­tei” und ein haken­kreuz­ähn­li­ches Logo. Für min­des­tens 30 ver­meint­li­che natio­na­le Unter­grup­pen der “Inter­na­tio­nal Goy­im Par­ty” erstell­te er auf vk.com eige­ne Social Media Sei­ten, so auch für die “Goy­im Par­tei Deutsch­land”. Alle Sei­ten waren im Inter­net öffent­lich zugäng­lich und von deut­schen und inter­na­tio­na­len Nut­zern stark frequentiert.

Die bei­den Mit­an­ge­klag­ten ein­te eine rechts­extre­mis­ti­sche Gesin­nung. Neben wei­te­ren Per­so­nen aus dem Aus­land schlos­sen sie sich dem Ange­klag­ten J. an, um mit ihm gemein­sam so vie­le juden­feind­li­che Bei­trä­ge wie mög­lich über die Goy­im-Sei­ten zu ver­brei­ten. Alle Betei­lig­ten woll­ten dadurch gemein­sam anti­se­mi­ti­schen Hass schü­ren, Nut­zer zu gewalt­sa­men Angrif­fen auf Juden moti­vie­ren und letzt­lich Juden welt­weit ver­nich­ten. Die­se Zie­le wur­den in einem Mani­fest niedergeschrieben.

Die Ange­klag­ten stell­ten zahl­rei­che Juden dis­kre­di­tie­ren­de und dif­fa­mie­ren­de sowie teil­wei­se zur Gewalt gegen sie ansta­cheln­de Inhal­te auf den Goy­im-Sei­ten ein, von denen eini­ge außer­dem den Holo­caust gut­hie­ßen, demen­tier­ten oder baga­tel­li­sier­ten. Die von den Ange­klag­ten ersehn­te Mobi­li­sie­rung grö­ße­rer Bevöl­ke­rungs­grup­pen blieb indes aus.

Die revi­si­ons­recht­li­che Über­prü­fung des Urteils durch den für Staats­schutz­sa­chen zustän­di­gen 3. Straf­se­nat hat bis auf eine Redu­zie­rung der Anzahl der Taten und die damit ein­her­ge­hen­de Ände­rung der Schuld­sprü­che kei­nen Rechts­feh­ler zum Nach­teil der Ange­klag­ten erge­ben. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Goy­im-Bewe­gung ins­be­son­de­re zu Recht als kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung im Sin­ne des § 129 Abs. 1, 2 StGB ein­ge­ord­net. Die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen die­ser Vor­schrift kön­nen auch dann erfüllt sein, wenn die Betei­lig­ten ledig­lich über das Inter­net mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren. Das Urteil ist damit ins­ge­samt rechtskräftig.

Vor­in­stanz:
Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf — Urteil vom 27. Mai 2022 – III‑6 StS 2/21

Maß­geb­li­che Vorschriften:

§ 129 StGB Bil­dung kri­mi­nel­ler Vereinigungen

(1) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu fünf Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer eine Ver­ei­ni­gung grün­det oder sich an einer Ver­ei­ni­gung als Mit­glied betei­ligt, deren Zweck oder Tätig­keit auf die Bege­hung von Straf­ta­ten gerich­tet ist, die im Höchst­maß mit Frei­heits­stra­fe von min­des­tens zwei Jah­ren bedroht sind. Mit Frei­heits­stra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer eine sol­che Ver­ei­ni­gung unter­stützt oder für sie um Mit­glie­der oder Unter­stüt­zer wirbt.

(2) Eine Ver­ei­ni­gung ist ein auf län­ge­re Dau­er ange­leg­ter, von einer Fest­le­gung von Rol­len der Mit­glie­der, der Kon­ti­nui­tät der Mit­glied­schaft und der Aus­prä­gung der Struk­tur unab­hän­gi­ger orga­ni­sier­ter Zusam­men­schluss von mehr als zwei Per­so­nen zur Ver­fol­gung eines über­ge­ord­ne­ten gemein­sa­men Interesses.

§ 130 Volksverhetzung

(1) Wer in einer Wei­se, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu stören,

1. gegen eine natio­na­le, ras­si­sche, reli­giö­se oder durch ihre eth­ni­sche Her­kunft bestimm­te Grup­pe, gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung oder gegen einen Ein­zel­nen wegen des­sen Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung zum Hass auf­sta­chelt, zu Gewalt- oder Will­kür­maß­nah­men auf­for­dert oder

2. die Men­schen­wür­de ande­rer dadurch angreift, dass er eine vor­be­zeich­ne­te Grup­pe, Tei­le der Bevöl­ke­rung oder einen Ein­zel­nen wegen des­sen Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung beschimpft, bös­wil­lig ver­ächt­lich macht oder verleumdet,

wird mit Frei­heits­stra­fe von drei Mona­ten bis zu fünf Jah­ren bestraft.
(2) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer
1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) ver­brei­tet oder der Öffent­lich­keit zugäng­lich macht oder einer Per­son unter acht­zehn Jah­ren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbie­tet, über­lässt oder zugäng­lich macht, der
a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Num­mer 1 bezeich­ne­te Grup­pe, gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung oder gegen einen Ein­zel­nen wegen des­sen Zuge­hö­rig­keit zu einer in Absatz 1 Num­mer 1 bezeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung aufstachelt,
b) zu Gewalt- oder Will­kür­maß­nah­men gegen in Buch­sta­be a genann­te Per­so­nen oder Per­so­nen­mehr­hei­ten auf­for­dert oder
c) die Men­schen­wür­de von in Buch­sta­be a genann­ten Per­so­nen oder Per­so­nen­mehr­hei­ten dadurch angreift, dass die­se beschimpft, bös­wil­lig ver­ächt­lich gemacht oder ver­leum­det wer­den oder
2. …
(3) Mit Frei­heits­stra­fe bis zu fünf Jah­ren oder mit Geld­stra­fe wird bestraft, wer eine unter der Herr­schaft des Natio­nal­so­zia­lis­mus began­ge­ne Hand­lung der in § 6 Abs. 1 des Völ­ker­straf­ge­setz­bu­ches bezeich­ne­ten Art in einer Wei­se, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu stö­ren, öffent­lich oder in einer Ver­samm­lung bil­ligt, leug­net oder verharmlost.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…